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Podcast: Wird der Lkw mit Wasserstoff klimaneutral?

Gehört Lkw mit Wasserstoffantrieb die Zukunft? Mehr als ein Drittel der CO₂-Emissionen im Straßenverkehr werden durch Nutzfahrzeuge verursacht. Um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen, muss sich etwas ändern, zumal der Gütertransport auf den Straßen stetig zunimmt.

70 Prozent aller Waren werden in Deutschland auf der Straße transportiert. Insgesamt sind hierzulande mehr als sechs Millionen Nutzfahrzeuge im Einsatz, davon rund dreieinhalb Millionen Lkw – fast alle fahren mit Diesel. Und es werden immer mehr: Allein seit 2010 ist der Straßengüterverkehr um knapp 40 Prozent angewachsen. Einen großen Anteil davon macht die gestiegene Fahrleistung kleiner Nutzfahrzeuge aus. Stichwort Paket-, Kurier-, und Expressdienste. Dieser Anstieg ist nicht zuletzt auf das Konsumverhalten jedes einzelnen zurückzuführen: Vor allem im Pandemie-Jahr 2020, ist die Nachfrage nach Lieferdiensten noch einmal deutlich gestiegen.

Um der damit verbundenen Umweltbelastung entgegenzuwirken, gibt die Politik strenge Ziele vor: Bis zum Jahr 2030 müssen die Emissionswerte aller neu zugelassenen Lastwagen im Vergleich zu heute um ein Drittel sinken. Gelingt das nicht, drohen den Herstellern bis zu sechsstelligen Bußgeldern für jedes verkaufte Fahrzeug.

Effizienzsteigerung spart bereits rund ein Drittel CO2 pro Lkw-Kilometer und Tonne

Durch optimierte Motoren sind die Lkw in den vergangenen 25 Jahren immer sparsamer geworden. Das Ergebnis: rund ein Drittel weniger CO₂ pro Kilometer und Tonne. Diese Fortschritte wurden allerdings durch das insgesamt deutlich gestiegene Verkehrsaufkommen im Straßengütertransport überkompensiert: Seit 1995 ist die Fahrleistung von Nutzfahrzeugen um mehr als 80 Prozent angewachsen. Dadurch erhöhten sich die gesamten CO₂-Emissionen im Straßengüterverkehr trotz technischer Verbesserungen seitdem um mehr als 20 Prozent. Mit Effizienzsteigerungen allein lassen sich die Klimaziele im Verkehr also nicht erreichen.

Aber: Daran, wie sich im Straßengüterverkehr die CO₂-Emissionen senken lassen, scheiden sich die Geister – auch bei Experten und Fahrzeugherstellern. Geforscht wird an batterieelektrischen Lkw und Elektrolastern, die sich Strom aus Oberleitungen an den Autobahnen holen, an Lkw mit grünem Wasserstoff und Brennstoffzellen sowie an klassischen Verbrennern, die künftig klimaneutral mit alternativen Kraftstoffen fahren. Genau wie Dieselmotoren könnten auch Gasmotoren CO₂-neutral werden, indem das heute noch fossile verflüssigte oder komprimierte Erdgas – besser bekannt als LNG oder CNG – auf regeneratives Methan umgestellt wird.

Wohin geht die Reise für die Lkw-Branche?

Einen Überblick über die aktuellen Herausforderungen gibt Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, kurz: NOW GmbH, einer bundeseigenen Gesellschaft unter anderem zur Förderung nachhaltiger Mobilität für die Zukunft:
„Im Nutzfahrzeuge-Konzept der Bundesregierung gibt es grundsätzlich drei Technologie-Pfade, die für die damit verbundenen Infrastrukturentscheidungen infrage kommen: Das ist der mit Strom aus einer Oberleitung betriebene Lkw, es ist der Brennstoffzellen-Lkw mit Wasserstoff und es ist der batteriebetriebene Lkw. Ich persönlich halte die Oberleitungs-Variante für am wenigsten wahrscheinlich, die beiden anderen Lösungen werden sich vermutlich den Markt teilen. Der batteriebetriebene Lkw ist für definierte Kurzstrecken und für regionale Lieferverkehre eine sehr aussichtsreiche Option. Verschiedene Hersteller treiben ihre Entwicklungen deshalb in dieser Richtung voran. Das Thema Langstrecke hingegen wird meines Erachtens künftig vom Brennstoffzellen-Lkw mit Wasserstoffantrieb dominiert werden, weil er den Betreibern der Fahrzeuge die größtmögliche Flexibilität bei den im Vergleich geringsten Kosten ermöglicht.“

So funktioniert der Wasserstoff-Antrieb

Die Brennstoffzelle produziert aus Wasserstoff und dem Sauerstoff der Umgebungsluft Strom, Wasser und Wärme. Mit dem Strom wird dann der Elektromotor des Fahrzeugs angetrieben, denn auch ein Wasserstoffauto ist im Prinzip ein Elektroauto. Die Wärme kann zum Beispiel dafür genutzt werden, um das Fahrzeug im Winter zu heizen. Dadurch kann – anders als bei batterieelektrischen Antrieben – auf schwere Akkus verzichtet werden.

Ein Unternehmen, das Brennstoffzellensysteme für Fernverkehrs-Lkw herstellt, ist Cellentric, ein Joint Venture der Daimler Truck AG und der Volvo Group. Prof. Dr. Christian Mohrdieck, Geschäftsführer der cellcentric, erläutert, warum das Unternehmen auf Wasserstoff setzt und damit auf Brennstoffzellen als Antriebsform der Zukunft für schwere Lkw: „Wasserstoff zeichnet sich insbesondere durch seine sehr hohe Energiedichte aus. Das bedeutet, dass ein Brennstoffzellen-Lkw im Vergleich zu einem rein batterieelektrisch betriebenen LKW eine deutlich höhere Reichweite hat, ohne dass sich das Gewicht signifikant erhöht und ohne dass der Bauraum für den Tank oder den Speicher zulasten der Ladefläche vergrößert werden muss. Eine Batterie für einen 40-Tonnen-Lkw hingegen würde in etwa sechs bis sieben Tonnen wiegen – deutlich mehr als ein entsprechender Wasserstoff-Antrieb.“

Für kleinere Lkw auf eher kurzen Strecken und mit planbaren Ladezeiten ist der batterieelektrische Antrieb auch aus Sicht von Daimler und Volvo eine sehr gute Lösung. Das Nebeneinander von batterieelektrischen Antrieben und von wasserstoffbasierten Brennstoffzellen-Lkw erscheint im Nutzfahrzeuge-Bereich also als realistischer Weg.

Herausforderung: H2-Tankstellen-Infrastruktur

Ein wesentlicher Vorteil der wasserstoffbetriebenen Brennstoffzelle ist, dass man den Treibstoff genauso schnell tanken kann wie herkömmlichen Diesel. Das ist vor allem für Speditionen wichtig, deren Fahrzeuge oft tagelang durch ganz Europa fahren und aufgrund enger Ladepläne kaum den Spielraum haben dürften, den Akku in kürzeren Abständen und mit größerem Zeitaufwand nachzuladen.

Aber bis ganze Flotten von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen-Lkw auf den Autobahnen unterwegs sein können, muss noch einiges geschehen: Die Fahrzeuge sind derzeit noch vergleichsweise teuer. Erst wenn die Anschaffungskosten deutlich sinken, wird das Interesse an Wasserstoffantrieben steigen. Hinzu kommt die heute noch sehr dünne Tankstellen-Infrastruktur für Wasserstoff.

„Kein Spediteur wird einen Brennstoffzellen-Lkw kaufen, wenn er ihn nicht betanken kann, weil nicht genügend Tankstellen auf seiner Route vorhanden sind“, sagt Mohrdieck. „Das heißt, wir müssen das Thema Infrastruktur zeitgleich angehen. Ein sehr gutes Beispiel ist die H2-Mobility GmbH, ein Joint-Venture zwischen Shell, OMV, Total, Linde, Daimler und Air Liquide, die sich zum Ziel gesetzt hat, einige hundert Tankstellen in Deutschland zu errichten. Solche Initiativen werden jetzt auch für Nutzfahrzeuge genutzt und von daher bin ich zuversichtlich, dass Fahrzeuge und Tankstellen parallel weiterentwickelt werden“, betont Mohrdieck.

Zurzeit gibt es fast 150 Wasserstofftankstellen in Europa, mehr als 100 davon befinden sich in Deutschland. Der Ausbau eines Tankstellennetzes ist mit hohen Investitionskosten von rund einer Million Euro pro H2-Tankstelle verbunden. Im Vergleich ist Deutschland hier also schon auf einem guten Weg.

Kurt-Christoph Knobelsdorff, der mit der bundeseigenen NOW GmbH den Aufbau genau solcher Tankstellennetze koordiniert, betont: „Sie brauchen an den Hauptverkehrsachsen eine definierte überschaubare Anzahl von Wasserstoff-Tankstellen, um sicherzustellen, dass Lkw im Fernverkehr jederzeit nachtanken können. Man darf nicht verschweigen, dass das eine Herausforderung ist, denn man muss ja große Mengen an Wasserstoff dorthin bekommen – am besten geschieht das über eine Pipeline. Insgesamt sicher keine einfache Übung – aber machbar.“

Alternative Fuels als weitere Option

Daimler und Volvo forschen an der Brennstoffzelle für den Lkw, die Konkurrenz aus dem VW-Konzern mit den Marken Scania und MAN konzentriert sich auf den batterieelektrischen Antrieb. Daneben gibt es aber noch einen dritten vielversprechenden Pfad: alternative Kraftstoffe, also E-Fuels oder fortschrittliche Biofuels. Ihr Vorteil ist, dass Lastwagen, die heute noch mit Diesel fahren, zukünftig mit solchen alternativen Kraftstoffen betankt und somit klimaneutral werden können.

Es gibt mehr als nur einen Königsweg

Prof. Dr. Manfred Aigner ist Direktor des Instituts für Verbrennungstechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Leiter der staatlich geförderten wissenschaftlichen Initiative „Begleitforschung für die Energiewende im Verkehr“, in der die Ergebnisse aus 15 technischen Forschungsprojekten zu nachhaltigen Kraftstoffen zusammengeführt werden. Er prognostiziert eine Kombination verschiedener Lösungen: „Vorerst wird es eine Erprobung all dieser Konzepte geben. Und je nach Anforderungen wird es am Ende voraussichtlich auch mehrere Lösungen geben. Nehmen wir etwa eine Spedition, die ihre Lkw durch ganz Europa schickt. Für ihre Fahrzeuge ist es vermutlich schwierig, überall Wasserstoff zu tanken. Denn die nötige Infrastruktur wird es zunächst vielleicht nur in Deutschland geben – und auch da nicht sofort flächendeckend – nicht aber im europäischen Ausland. Das heißt, wir werden in diesem Bereich sicher noch sehr lange auf Fahrzeuge mit herkömmlichen Motoren angewiesen sein. Die können dort, wo sie zur Verfügung stehen, künftig alternative Kraftstoffe tanken – und wenn sie nicht zur Verfügung stehen, tanken sie eben fossilen Diesel. Deshalb glaube ich, dass auf längere Sicht mehr als ein System bestehen wird, abhängig von den spezifischen Umständen.“

Klimaneutraler Lkw-Verkehr braucht politischen Rahmen

Was muss also jetzt passieren, damit die ehrgeizigen Klimaziele im Verkehr bis 2030 erreicht werden? Aus Sicht von Christian Mohrdieck von cellcentric brauche es flankierend zur technologischen Weiterentwicklung und dem Ausbau der Tankstellen-Infrastruktur für Wasserstoff einen passenden regulatorischen Rahmen, um die Technologie einzuführen. Bei der Markteinführung könnte eine CO2-Steuer helfen und ebenso die Vergabe von Incentives, um die zunächst höheren Kosten der Technologie abzufedern.

Kurt-Christoph von Knobelsdorff sieht die Rolle der Politik ebenfalls darin, einen optimalen Rahmen zu schaffen – und ist zuversichtlich, dass Unternehmen diesen Rahmen dann auch nutzen. Er sagt: „Der Staat sollte von zu kleinteiliger Regulierung Abstand nehmen, sondern die Voraussetzungen dafür schaffen, damit sich die Dinge dann marktwirtschaftlich entwickeln können. Ein Blick in die Schweiz zeigt, wie es gehen kann. Dort hat ein Großhandelskonzern ohne politische Vorgaben die Sache selbst in die Hand genommen und bringt jetzt mit Hyundai Brennstoffzellen-Lkw Stück für Stück auf die Straße. Bei all den Diskussionen über Technologien darf man nicht vergessen, dass es am Schluss die Unternehmen sind, die die Fahrzeuge bestellen und einsetzen. Und die haben ihre eigenen Überlegungen und Kalkulationen.“

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