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Der politische Rahmen für die Molekülwende fehlt noch

Die Neuwahl des Bundestags steht vor der Tür. Welche politischen Weichenstellungen braucht es jetzt für eine erfolgreiche Defossilisierung unserer Energieversorung? Auf der Green Fuels Import Conference in Berlin wurden unterschiedliche Positionen und Forderungen deutlich gemacht. 

„Wir haben mehr erreicht als manchmal wahrgenommen wird“, übt sich Dr. Philipp Steinberg in Optimismus. Der Abteilungsleiter im Bundeswirtschaftsministerium (BMWK), zuständig u.a. für Energiesicherheit und Wasserstoffinfrastruktur, weiß aber auch um die Größe der Aufgabe, die noch vor uns liegt. „Wir brauchen die Deutschland-Geschwindigkeit, die wir bei der Genehmigung von LNG-Terminals erlebt haben, auch in vielen anderen Bereichen.“ Und damit ist vor allem auch der lange vernachlässigte Bereich der Energiewende gemeint, der über das Thema Strom hinaus geht. Die sichere Versorgung mit CO2-neutralem Wasserstoff, aber auch anderen Molekülen wie Ammoniak und Methanol sei nicht zuletzt eine Frage der Resilienz Deutschlands. „Nicht zu vergessen, dass auch kohlenstoffhaltige Moleküle, wie sie beispielsweise für Kunststoffe benötigt werden, auf klimaneutrale Kohlenstoffquellen umgestellt werden müssten“, ergänzt Prof. Dr. Küchen, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie en2x. Daher sei der Begriff Defossilisierung treffender als das häufig gebrauchte Schlagwort „Dekarbonisierung“.

Damit die Versorgung mit CO2-neutralen Molekülen sichergestellt werden könne, brauche es aber nicht nur eine ausreichende verfügbare Menge von Wasserstoff, Methanol, Ammoniak & Co. – sondern auch eine entsprechende Infrastruktur. Denn klar ist, über alle Parteigrenzen hinweg, dass Deutschland auch in einer Zeit nach Erdöl und Erdgas ein Energieimporteur bleiben wird. Daher braucht es nicht nur Pipelines, sondern auch Häfen, braucht es Verteilnetze, Straßen und Schienen für den Weitertransport hin zu den industriellen Abnehmern. Die finanziellen Investitionen dafür sind erheblich, viele Investoren scheuen vor den bislang schwer einzugrenzenden Risiken zurück. Regulatorische Anforderungen und Auflagen, aber auch unzureichende oder praxisferne Kontroll- und Dokumentationspflichten erschweren die Umsetzung ebenfalls.

Diskussionsrunde bei der Green Fuels import Conference in Berlin (v. ll.): Dr. Stefan Kaufmann, Prof. Christian Küchen, Dirk Niemeier, Dr. Philipp Steinberg und Moderatorin Dr. Inga Michler.

Diskussionsrunde bei der Green Fuels import Conference in Berlin (v. ll.): Dr. Stefan Kaufmann, Prof. Christian Küchen, Dirk Niemeier, Dr. Philipp Steinberg und Moderatorin Dr. Inga Michler.

en2x-Geschäftsführer Küchen warnt, dass sich Europa und Deutschland mit überzogener Regulierung im globalen Wettbewerb um den Import grüner Moleküle lähmt. „In der Russlandkrise hat sich die Resilienz einer flexiblen Logistik bei einem globalen Angebot gezeigt – wir haben bemerkenswert schnell die Lücke fehlender Importe aus Russland schließen können.“ So eine Infrastruktur brauche es auch für CO2-neutrale Moleküle. Sind die regulatorischen Hürden aber zu hoch, könnten andere Importeure zum Zug kommen und Europas ambitionierter Defossilisierungszeitplan scheitern.

Selbst in den USA unter einer Trump-Regierung werde wahrscheinlich die Defossilisierung der Energie nicht wieder aufgehoben werden, erwartet Dirk Niemeier von PwC: „Man ist nie vor Überraschungen gefeit, aber von den Fördergeldern des Inflation Reduction Act profitieren vor allem republikanisch geführte Bundesstaaten.“

Es geht voran...

Das Interesse in aller Welt sei groß, Handelspartner genau für CO2-neutrale Energieträger zu werden, berichtet Dr. Lutz Schäfer vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, BMZ. Mehr als 30 Energiepartnerschaften habe Deutschland bereits geschlossen. Gleichwohl dürfe dabei nicht unterschlagen werden, dass bei der Berechnung der Produktionskapazitäten in vielen Ländern auch die Bedürfnisse der heimischen Bevölkerung in den Exportstaaten berücksichtigt werden müssten. Ohne Akzeptanz vor Ort – weil beispielsweise die Bevölkerung selbst von Wasser- und Stromversorgung abgeschnitten ist – sei es schwierig, langfristig stabile Lieferbeziehungen aufzubauen.

Auch wenn die großen Schlagzeilen der Vorjahre zuletzt seltener geworden sind – oder, wie es BMWK-Abteilungsleiter Steinberg formulierte, vom Allegro zum Andante übergegangen sei – sei vieles in der Vorbereitung. Mit der Verabschiedung der Nationalen Hafenstrategie sei die Zukunftssicherung der Häfen eingeleitet worden. Allerdings sei durch die vorgezogenen Wahlen unklar, ob mancher Plan noch bis zum Wahltermin verabschiedet werden kann.

...in zu kleinen Schritten

Die heutige Opposition, wahrscheinlich die größte Fraktion in der kommenden Regierung, sieht die Herausforderungen ähnlich. Zwar sei wegen des Prüfaufwands eine übereilte Entscheidung zu Gesetzen nicht sinnvoll, sagt Bundestagsabgeordneter Dr. Stefan Kaufmann von der CDU/CSU-Fraktion. „Vieles von dem, was jetzt in der Schublade liegt, ist prinzipiell richtig.“ Aber es sei sinnvoll, manche Zielvorgabe auf eine realistischere Zeitschiene zu setzen als bislang. Außerdem werde eine neue CDU/CSU-geführte Regierung stärker auf marktwirtschaftliche Akzente setzen und – was wohl im Sinne aller Betroffenen sein dürfte – auf einen Abbau komplexer Entscheidungswege. En2x-Geschäftsführer Küchen formulierte es deutlich: „Weniger Mikromanagement und mehr Verantwortung täte gut.“

So viel ist allen Beteiligten klar: An Aufgaben wird es auch der nächsten Regierung nicht mangeln, damit die Molekülwende Fahrt aufnimmt.

AKTUELLE BEITRÄGE

Rahmen für die Molekülwende

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