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MtG: Klimaneutraler Kraftstoff für Ottomotoren

Ein klimaneutraler Ersatz für Ottokraftstoffe, der in beliebigen Anteilen herkömmlichem Benzin beigemischt oder als Reinkraftstoff verwendet werden kann, ohne dass auch bei Bestandsfahrzeugen Änderungen an der Motortechnik notwendig sind, ist Gegenstand verschiedener Forschungsprojekte. In abgeschlossenen und laufenden Forschungsvorhaben wurden bereits tausende Liter E-Fuels hergestellt, die bereits der gültigen Norm für Benzinkraftstoff in Europa entsprechen. Die anwendungsnahe Forschung und Entwicklung arbeitet zusammen mit der Industrie an einem Herstellungsverfahren mit dem Namen „Methanol-to-Gasoline“ (MtG). Was MtG für die Fahrzeugtechnik bedeutet, wie es hergestellt wird und welche Perspektiven es bietet, erläutern Dr. Benedikt Heuser von der FEV Group GmbH und Simon Eiden von der TEC4FUELS GmbH, die seit einigen Jahren an neuen klimaneutralen Kraftstoffen arbeiten.

molekülwende-inside.de: Sie forschen unter anderem an der Herstellung und den technischen Voraussetzungen für die Nutzung von neuen, klimaneutralen Kraftstoffen. Warum beschäftigen Sie sich mit Methanol als Kraftstoff?
Benedikt Heuser: Für uns ist Methanol interessant, weil es nicht nur als Vorprodukt in der chemischen Industrie, sondern auch als Kraftstoff in Motoren – vom Pkw bis hin zum Tankerschiff – verwendet werden kann. Da das Methanolmolekül ein Sauerstoffatom enthält, verbrennt es sauberer als konventionelle Kraftstoffe. Darüber hinaus erlaubt Methanol aufgrund seiner physikalischen Eigenschaften auch einen höheren motorischen Wirkungsgrad gegenüber konventionellen Kraftstoffen. Methanol wird derzeit noch überwiegend aus Erdgas herstellt, doch es gibt auch einen klimaneutralen Herstellungspfad für „grünes“ Methanol aus erneuerbaren Energieträgern.

molekülwende-inside.de: Wie wird denn klimaneutrales Methanol hergestellt?
Simon Eiden: Für die Herstellung von Methanol braucht man zwei Gase als Rohstoffe, nämlich Wasserstoff, H₂, und Kohlenstoffdioxid, CO₂. Diese müssen klimaneutral gewonnen werden. Beim Wasserstoff geht das durch die Elektrolyse von Wasser, wenn der Prozess mit Strom aus Wind- und Sonnenenergie betrieben wird. Das CO₂ kann aus unterschiedlichen Quellen stammen, beispielsweise aus Biomasse, aus Abgasen industrieller Produktionsprozesse oder durch CO₂-Abscheidung aus der Umgebungsluft. Aus den so gewonnenen Gasen H₂ und CO₂ entsteht dann in dem technischen Verfahren der Methanolsynthese flüssiges, treibhausgasneutrales Methanol.

Foto: © TEC4FUELS

Methanol-to-Gasoline

molekülwende-inside.de: Bio-Ethanol als Alkohol gibt es heute bereits als Beimischung zum Benzin. Wäre das mit Bio- beziehungsweise synthetisch hergestelltem Methanol ebenso möglich?
Benedikt Heuser: Beide Kraftstoffe, Ethanol und Methanol, haben einen deutlich geringeren Energiegehalt je Liter als mineralölbasierter Ottokraftstoff – bei Methanol beträgt dieser nur gut die Hälfte. In der heute geltenden Norm für Benzinkraftstoff, der EN228, sind nur bis zu drei Prozent v/v Methanolbeimischung erlaubt. Außerdem sind die Materialien der meisten Motorbauteile in Bestandsfahrzeugen nicht auf höhere Alkoholanteile im Kraftstoff ausgelegt. Daher ist eine Beimischung von mehr als 15 Prozent ohne Veränderungen am Motor sicherlich nicht möglich, für ältere Fahrzeuge auch deutlich weniger. Das bedeutet, dass bei höheren Beimischungen Bauteile ausgetauscht werden müssen, die mit dem Kraftstoff in Berührung kommen. Aus Kostengründen dürften die wenigsten Autofahrer dazu bereit sein. Zudem bringt die Einführung von Bio-Methanol als Beimischungskraftstoff zusätzlich zum vorhandenen Bio-Ethanol kaum Vorteile für den Klimaschutz.
Simon Eiden: Ein echter Fortschritt für das Klima wäre dagegen ein klimaneutraler und schadstoffarmer Kraftstoff für Ottomotoren, der in höheren Beimischungsanteilen und sogar zu 100 Prozent als Benzinersatz ohne Veränderungen an der Fahrzeugtechnik einsetzbar wäre. Die Forschung und Entwicklung an solchen neuen Ottokraftstoffen sind recht weit fortgeschritten und eine naheliegende und praktikable Lösung könnte das Methanol-to-Gasoline-Verfahren sein. Das zuvor hergestellte erneuerbare Methanol kann in einem weiteren Schritt, dem Methanol-to-Gasoline-Prozess, zu einem qualitativ hochwertigen Benzinersatz verarbeitet werden.

molekülwende-inside.de: Methanol als Benzinersatz – was bedeutet das für die Motortechnik?
Benedikt Heuser: Moderne Ottomotoren verfügen immer öfter über eine hohe Verdichtung und Turboaufladung, um die Motorleistung zu steigern und den Kraftstoffverbrauch zu senken. Um das vorhandene technische Potenzial voll auszuschöpfen, benötigen sie entsprechende Kraftstoffe, die über eine hohe Klopffestigkeit verfügen. Insbesondere kurzkettige Alkohole wie Methanol- Butanol und Ethanol haben sich in zahlreichen Forschungsprojekten als vielversprechende Kraftstoffalternativen herausgestellt, die diese Anforderungen erfüllen. Darüber hinaus ist Methanol auch ein hervorragender Kandidat für dieselmotorische Anwendungen, wo sehr hohe Leistungen gefordert werden – zum Beispiel im Schienenverkehr und in der Schifffahrt. Es müssen für diese Anwendungen zwar auch neue Motoren entwickelt werden, aber wir sehen immer mehr Bestellungen methanolfähiger Schiffe für die Seeschifffahrt.

Eigenschaften von Ottokraftstoffen und Komponenten
© TU Bergakademie Freiberg 2021

molekülwende-inside.de: Neue Kraftstoffe können nur in den Markt eingeführt werden, wenn sie die geltenden Kraftstoffnormen erfüllen. Schafft MtG diese Hürde?
Simon Eiden: Die physikalisch-chemischen Eigenschaften von synthetischem Methanol-to-Gasoline-Kraftstoff sind denen von Benzin sehr ähnlich. So ist MtG-Benzin in Kraftstoffmischungen mit zehn Prozent Bio-Ethanol oder 15 Prozent 2-Butanol konform mit der EN 228, der Norm für Ottokraftstoffe, und daher sowohl für neu zugelassene als auch Bestandsfahrzeuge geeignet.

molekülwende-inside.de: Welche Auswirkungen hat MtG auf die Fahrzeugtechnik, die mit dem Kraftstoff in Berührung kommt?
Simon Eiden: Wir haben recht umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, die sich vor allem auf mögliche Veränderungen an Materialien von Motorbauteilen und Kraftstoffen über längere Zeiträume konzentrierten. Bei den beiden MtG-Benzinmischungen traten keine Auffälligkeiten an Kunststoffen und Elastomeren auf. Ergänzende Tests ergaben, dass Bauteile wie die untersuchten Injektoren, Hochdruckpumpen sowie Rails und Schläuche von keinem der untersuchten Kraftstoffe in ihrer Funktion beeinträchtigt wurden. Auch bei der Mischung mit anderen Kraftstoffen zeigten sich keine Auffälligkeiten. Mit geeigneten Kraftstoffadditiven dürfte MtG-Benzin in beiden Mischungen als Drop-in-Kraftstoff für Bestands- und Neufahrzeuge mit Ottomotoren einsetzbar sein.

molekülwende-inside.de: Wie verändern sich die Abgasemissionen von Motoren durch MtG?
Benedikt Heuser: Wie schon erwähnt, kann das MtG-Benzin als CO2-neutral betrachtet werden, wenn es aus „grünem“ Methanol hergestellt wird. Darüber hinaus kann man generell sagen, dass die Emissionen von Rußpartikeln deutlich, das heißt um etwa 40%, sinken. Weitere Vorteile ergeben sich bei den Emissionen von unverbrannten Kohlenwasserstoffen. Nahezu unverändert blieben die Emissionen von Kohlenmonoxid und Stickoxiden bei den Tests in Bestandsfahrzeugen. Bei einer Anpassung der Motor-Hard- und Software auf MtG-Benzin konnten auch noch die Emissionen von Kohlenmonoxid und Stickoxiden reduziert werden.

Foto: FEV Group

molekülwende-inside.de: Wie sehen Sie die Zukunft von MtG? Hat der Kraftstoff eine Chance, an die Tankstellen zu kommen?
Benedikt Heuser: In Deutschland gibt es derzeit lediglich eine Demonstrationsanlage, in der MtG-Benzin zu Forschungs- und Testzwecken hergestellt wird. Diese Syngas-to-Fuel-Forschungsanlage befindet sich bei der Technischen Universität Freiberg in Sachsen. Das Herstellungsverfahren ist im Grunde seit Jahrzehnten bekannt. In Deutschland laufen allerdings weiterhin Forschungsvorhaben mit dem Ziel, sowohl die Effizienz des MtG-Prozesses zu erhöhen und damit die Herstellungskosten zu reduzieren als auch das Produkt, also den Kraftstoff selbst, zu verbessern. Kommerzielle MtG-Produktionsanlagen im großen Maßstab gibt es in Deutschland und Europa zurzeit nicht, jedoch in anderen Ländern der Welt. Für Bestandsfahrzeuge sind synthetische Kraftstoffe, zum Beispiel erzeugt via MtG, die einzige Möglichkeit, den CO₂-Fußabdruck zu senken. Vor dem Hintergrund, dass wir auch 2030 noch zirka 85 Prozent unseres Energiebedarfes im Verkehr durch fossile Kraftstoffe decken werden, wird deutlich, dass an erneuerbaren Kraftstoffen kein Weg vorbeiführt, sofern wir das 1,5°C-Ziel auch nur annähernd als realistisch betrachten – denn dann muss der Transportsektor noch deutlich mehr tun, als es bisher geplant ist.
Simon Eiden: Eine Alternative zur Herstellung von MtG-Benzin in Deutschland könnte der Import aus Regionen mit günstigen klimatischen Bedingungen wie zum Beispiel Nordafrika oder Chile sein. Dort sind die Gestehungskosten für den Strom aus erneuerbaren Energien deutlich günstiger als in unseren Breitengraden. Ob es möglich ist, tragfähige Geschäftsmodelle für großtechnische Produktionsanlagen zu entwickeln und umzusetzen, ist eine Aufgabe, mit der sich Energieunternehmen sicher schon beschäftigen. Porsche zum Beispiel entwickelt bereits gemeinsam mit Partnern wie ExxonMobil und Siemens im chilenischen Haru Oni eine Anlage in industriellem Maßstab, die in einigen Jahren eine Kapazität von 550 Millionen Litern E-Fuels pro Jahr erreichen soll.

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