HyFiT: Forschung an XTL-Kraftstoffen
Nicht der Verbrennungsmotor, sondern der Kraftstoff ist die Ursache für den Ausstoß von Treibhausgasen und Schadstoffemissionen. Darum arbeiten Forschende an Konzepten, wie alternative Kraftstoffe eine klima- und umweltschonendere Mobilität ermöglichen. Hydroformylierte Fischer-Tropsch Kraftstoffe – kurz HyFiT-Kraftstoffe – die zentrale Anforderungen an Drop-in-Kraftstoffe erfüllen, sind ein aktueller Vorschlag eines deutsch-schweizer Forschungskonsortiums für die Mobilität im Transportbereich.
In der Luftfahrt, der Schifffahrt, in landwirtschaftlichen Maschinen und im Schwerlastverkehr auf langen Strecken sind alternative flüssige Kraftstoffe eine klimaschonende Variante im Vergleich zu fossilen Energieträgern. Ihre hohe Energiedichte im Vergleich zu batterieelektrischen Antrieben, die vorhandene Infrastruktur und Logistik sowie das einfache Handling machen sie in schwer zu elektrifizierenden Bereichen weiterhin zu einer wichtigen Option.
Biodiesel (Fettsäuremethylester, FAME) in einer Beimischung von bis zu sieben Prozent zum Dieselkraftstoff ist als alternativer Kraftstoff bereits seit längerem eingeführt. Seit dem Frühjahr 2024 ist auch die Beimischung von bis zu zehn Prozent erlaubt, die Nutzung allerdings nur in dafür zugelassenen Fahrzeugen zu empfehlen. Eine andere Alternative sind XTL-Kraftstoffe wie zum Beispiel hydriertes Pflanzenöl (HVO) oder Fischer Tropsch-Diesel, die seit dem Frühjahr 2024 als Reinkraftstoffe zu 100 Prozent zugelassen und in dafür freigegebenen Fahrzeugen einsetzbar sind. XTL-Kraftstoffe bestehen chemisch betrachtet hauptsächlich aus Paraffinen, enthalten nur noch einen geringen Anteil an Aromaten und haben eine hohe Cetanzahl. Dadurch sinken die Schadstoffemissionen von Motoren bei Rußpartikeln um bis zu 40 Prozent und bei Stickoxidemissionen um bis zu 30 Prozent. Durch moderne Technologien zur Abgasnachbehandlung ist es möglich, diese Emissionen noch weiter zu reduzieren.
Die Fischer Tropsch(FT-)Synthese ist ein etabliertes Verfahren zur Herstellung von paraffinischen Kraftstoffen aus Kohlenstoff (CO₂) und Wasserstoff (H2 aus Wasserelektrolyse), die zunächst zu einem Synthesegas verarbeitet werden. Das Verfahren hat den Vorteil, dass es sowohl mit Synthesegas aus Biomasse als auch aus CO2-Abscheidung betrieben werden und so auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen flexibel reagieren kann. Aus zahlreichen Lebenszyklusanalysen ergeben sich bei FT-Diesel aus erneuerbaren Quellen Reduzierungen von Treibhausgasemissionen im Bereich zwischen 70 und 98 Prozent im Vergleich zu mineralölbasiertem Dieselkraftstoff.
Fischer-Tropsch-Diesel weiter optimieren
In einer interdisziplinären Studie haben nun Forschende der RWTH Aachen University, des Max-Planck-Instituts für Chemische Energiekonversion und der ETH Zürich untersucht, wie das Emissionsverhalten von FT-Diesel noch weiter verbessert werden kann, indem bereits im Herstellungsprozess die Kraftstoffzusammensetzung verändert wird. Sie schlagen vor, dem paraffinischen FT-Diesel anteilig Alkohole wie 1-Octanol in einer Größenordnung von etwa 20 bis 40 Prozent beizumischen und verweisen insbesondere auf die günstigen Emissionseigenschaften von bei der Verbrennung. Durch den im Alkohol enthaltenen Sauerstoff (OH-Gruppe) können die Partikelemissionen im Vergleich zu mineralölbasiertem Dieselkraftstoff um bis zu 94 Prozent sinken.
Als einen weiteren Ansatzpunkt für die Optimierung des FT-Diesels stellen die Autoren der Studie ein Konzept für ein modifiziertes Herstellungsverfahren vor. Die bisherige Forschung konzentriert sich vor allem auf die Optimierung der im FT-Verfahren erforderlichen Katalysatoren, um die Kohlenstoffausbeuten und die Alkoholselektivität zu erhöhen. Die ETH Zürich und ihre Forschungspartner modifizieren dagegen das Produktionsverfahren so, dass bei der FT-Synthese ein Gemisch entsteht, das hauptsächlich aus gesättigten Kohlenwasserstoffen (Alkanen) und ungesättigten Kohlenwasserstoffen (Olefinen) besteht. Die Olefine werden durch katalytische Hydroformylierung, das heißt durch die Addition von Synthesegas an die C=C-Doppelbindung, und anschließende Hydrierung in die erforderliche Menge an Alkoholen umgewandelt, die als Sauerstoffträger in den Gemischen zur Emissionsreduktion erforderlich sind.
Ein Vorteil des „HyFiT“ genannten Verfahrens ist, dass es auf ausgereiften Technologien basiert, die in einem neuen Rahmen zusammengefügt werden und in ihrer Konstellation eine mindestens ebenso so gute und teilweise höhere Effizienz ermöglichen.
„HyFiT“-Kraftstoffe als Weiterentwicklung von FT-Diesel
Neue Kraftstoffe müssen sowohl Vorteile bieten als auch für ihre erfolgreiche Markteinführung drop-in-fähig sein, das heißt sich nahtlos in die vorhandene Infrastruktur und Regularien einfügen. Dafür sind vier Schlüsselfaktoren erforderlich: die Skalierbarkeit der Syntheseverfahren, die Kompatibilität mit den geltenden Kraftstoffnormen und den in der Motorentechnologie verwendeten Materialien, die Verringerung des Schadstoffemissionen und nicht zuletzt der Übergang zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen mit flexiblen Rohstoffen. Dabei ist eine Verlagerung von Belastungen auf andere Umweltparameter zu vermeiden.
Der „HyFiT“-Kraftstoff erfüllt die Kraftstoffnormen und Materialanforderungen in einem Alkohol/Alkan-Gemisch in einem Bereich von 15 bis 65 Gew.-% des Alkoholanteils. Mit steigendem Alkoholanteil erhöhen sich seine Dichte und die Viskosität. Dagegen sinken der untere Heizwert, die abgeleitete Cetanzahl und die Schmierfähigkeit. Die Einhaltung der Normparameter war bei einem Alkoholgehalt von 20 bis 40 Gew.-% am vielversprechendsten. Die Dichte erfüllt nicht ganz die Norm EN 590 für Dieselkraftstoff, liegt aber innerhalb der EN 15940 für XTL-Kraftstoffe. Zur Beurteilung der Materialkompatibilität wurden als Referenz die Elastomere Fluorkautschuk (FKM), Nitrilbutadienkautschuk (NBR) und hydrierter NBR (HNBR) untersucht, die beispielweise für Dichtungen in kraftstoffführenden Systemen verwendet werden. Es stellte sich heraus, dass FKM nahezu vollständig und HNBR zumindest teilweise kompatibel ist.
Schadstoffemissionen halten künftige Euro 7-Norm ein
Die Abgasemissionen des „HyFiT“-Kraftstoffs haben die Forschenden am Beispiel eines schweren Lieferwagens untersucht. Als Ausgangswert wurde der Kraftstoff in der vom Fahrzeughersteller eingestellten Standardkalibrierung („Drop-in“) getestet und dann für zwei zusätzliche Kalibrierungen geschätzt. Bereits in aktuellen Motoren mit Drop-in-Kalibrierung liegen die am Auspuff gemessenen Abgasemissionen unter den Grenzwerten der künftigen Euro 7-Abgasnorm. Der größte Vorteil ergibt sich durch die Verringerung der Partikelemissionen für HyFiT 20 Prozent um 55 Prozent und für HyFiT 40 Prozent um 70 Prozent im Vergleich zu mineralölbasiertem Dieselkraftstoff. Das liegt einerseits an dem höheren Sauerstoffgehalt der HyFiT-Kraftstoffe und andererseits daran, dass sie keine Aromaten mehr enthalten. Zusammen mit einem Standardpartikelfilter sind im Abgas am Auspuffrohr nahezu keine Partikelemissionen mehr messbar. Durch eine Senkung der durchschnittlichen Abgastemperaturen und eine entsprechend langsamere Erwärmung des Abgasnachbehandlungssystems können auch die NOx-Emissionen so weit gesenkt werden, sodass sie für HyFiT 20 Prozent und HyFiT 40 Prozent weit unter den Grenzwerten der künftigen Euro 7-Abgasnormen liegen.
CO2-Fußabdruck auf BEV-Niveau
Für die Bestimmung des CO₂-Fußabdrucks von HyFiT-Kraftstoff führten die Forschenden eine Lebenszyklusanalyse („Well-to-Wheel“) durch. Sie wählten für die Erstellung der Ökobilanz den Kraftstoff HyFiT 20 Prozent in Kombination mit einem schweren Hybrid-Lieferwagen (Elektro- plus Verbrennungsmotor) aus und verglichen diesen mit einem schweren Transporter ausschließlich mit Dieselantrieb und einem vollständig batterieelektrischen Transporter (BEV). Im Ergebnis ist der CO₂-Fußabdruck des biobasierten HyFiT-Kraftstoffs niedriger als der von mineralölbasiertem Diesel und wettbewerbsfähig mit dem des BEV. Jearch Centre of the European Commission’s Environmental Footprint 3.0.
Insgesamt sehen die Forschenden HyFiT-Kraftstoffe als eine sinnvolle Ergänzung zu elektrischen Antrieben bei Anwendungen mit einem hohen Energiebedarf an. HyFiT-Kraftstoffe erfüllen die wichtigsten Anforderungen an defossilisierte Drop-in-Kraftstoffe und bieten aus Sicht der Autoren Vorteile, die der Industrie Chancen für Investitionen bieten.
Ein wissenschaftlicher Artikel über die Studienergebnisse ist in der Zeitschrift Nature Communications in englischer Sprache erschienen und ist hier online verfügbar.