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Das Problem mit der Finanzierung

Es gibt viele Gründe, warum die Finanzierung von Anlagen zur Herstellung CO2-neutraler Moleküle nicht vorankommt. Und noch mehr Gründe, das rasch zu ändern. Wie mehr Investitionen in die Produktion CO2-neutraler Moleküle ausgelöst werden könnten.

Auch wenn es viele Berechnungen gibt, die genauen Zahlen kennt niemand. Klar ist nur: Es wird sehr viel Kapital benötigt. Eine Raffinerie im Hamburger Hafen, die ab 2027 jährlich 220.000 reststoffbasierte Biotreibstoffe produzieren soll, erfordert rund 400 Millionen US-Dollar Investitionen. „Für eine Million Tonnen Biosprit wären das dann bis zu zwei Milliarden US-Dollar“, rechnet Prof. Dr. Christian Küchen vor. Der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie en2x kennt die Finanzierungsherausforderung. Und ergänzt zugleich: „Und die dafür benötigte Technologie ist noch vergleichsweise einfach und vor allem bekannt.“

Größere Sorgen bereiten Investitionen in Technologien, zu denen bislang wenig oder gar keine Erfahrungswerte vorliegen. „Bei solchen Erstanlagen gibt es einen First-Mover-Disadvantage“, sagt Peter Smeets. Der Finanzierungsexperte und Anwalt befasst sich vor allem mit der Umstellung der Fluggesellschaften auf nachhaltige Treibstoffe, kurz SAF. Das Problem der SAF-Tech-Pioniere: Während sie manch teuren Irrweg gehen – oder gar gänzlich scheitern – können nachfolgende Anlageninvestoren aus ihren Fehlern lernen und wahrscheinlich günstiger produzieren. Der „First Mover“ droht dann, auf seinen Investitionen sitzenzubleiben, weil die Kunden SAF und andere grüne Moleküle woanders günstiger einkaufen können.

Zu riskant für Investoren?

Die grünen Moleküle sind zwar deutlich klimaschonender, aber bis auf weiteres auch deutlich teurer – um ein Vielfaches im Vergleich zu den bisherigen fossilen Produkten. Die Folge: Die Kunden hoffen auf sinkende Herstellungskosten und damit niedrigere Preise – und warten ab. Im besten Fall werden kurzlaufende Abnahmeverträge geschlossen. Doch die passen nicht zu den langjährigen Projektlaufzeiten der Anlagen. Smeets fasst es nüchtern zusammen: „Die Investitionen sind deshalb nicht bankable. Es gibt keine verlässliche Kalkulationsgrundlage über die gesamte Laufzeit, ob sich die Investitionen jemals rechnen werden.“ Denn nicht nur die später zu erzielenden Preise und die Technologie sind relativ unsicher, eine weitere Frage ist offen: Wird der Produzent überhaupt ausreichend „Rohstoff“ haben für die zugesagte Herstellung seines CO2-neutralen Produkts?

Es sind nicht nur die Anlagen zur Herstellung „grüner“ Moleküle selbst, die Investitionen erfordern – auch die Infrastruktur für Import, Export und Transport muss noch errichtet werden. Friedrich Stuhrmann vom Hafenbetreiber Hamburg Port Authority erläutert: „Wir werden grünen Wasserstoff und andere Moleküle in großem Umfang importieren müssen. Seehäfen wie der Hamburger Hafen werden dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Aber dafür muss in Wasserwege, Hafenbecken, Kaimauern, Jetties, Pipelines und Flächenaufbereitung investiert werden. Es braucht neue Umschlaglager, neue Infrastruktur per Schiene, Straße und Pipeline. Die öffentliche Hand hilft dabei, auch die Privatunternehmen nehmen viel Geld in die Hand – doch es bräuchte noch viel mehr.“ Denn klar ist auch: Was heute nicht gebaut wird, fehlt uns 2030, wenn die CO2-Emissionen massiv sinken müssen.

Prof. Dr. Christian Küchen (li.) und Peter Smeets am Round Table. Foto: Franz Grünewald

Prof. Dr. Christian Küchen (li.) und Peter Smeets am Round Table. Foto: Franz Grünewald

Investitionsrisiken verringern

Es droht ein Teufelskreis: Wenn nicht ausreichend alternative Moleküle zur Verfügung stehen, können die Quoten-Vorgaben gar nicht erfüllt werden. Erwarten aber immer mehr Kunden, dass die Quoten sinken oder nicht wie angekündigt erhöht werden, werden sie sich nicht vertraglich zur Abnahme größerer Mengen verpflichten – und damit der Anreiz zur Investition in Anlagen und Infrastruktur für die Molekülwende sinken.

Wie also könnten die dringend benötigten Investitionen in Schwung gebracht werden? Die naheliegende Antwort wäre: staatliche Hilfe. Gerade einmal 38 Millionen Euro stellt der Bund allen deutschen Häfen jährlich zur Verfügung. Dabei werden Milliarden benötigt. Doch Stuhrmann weiß: „Umfangreiche Subventionen sind angesichts der Haushaltslage schwierig. Auch Küchen ist zurückhaltend: „Über den Haushalt wird es schwierig, größere Summen bereitzustellen. So lässt sich keine langfristige Investition planen.“ Küchen schlägt stattdessen zweckgebundene Abgaben vor, was besonders dem Hochlauf der für Straßen- und Flugverkehr benötigten CO2-neutralen Moleküle helfen könnte. Denn anders als Steuern kämen diese Abgaben der Gruppe, die sie bezahlt, als Klimaschutzmaßnahme direkt zugute. „Ich sehe erste Anzeichen im Flugverkehrsbereich, dass es genug Gemeinsamkeiten gibt, um etwas in diese Richtung umzusetzen“, ist Küchen zuversichtlich.

Vorbild EEG-Umlage?

Ein Modell könnte die langjährige EEG-Umlage sein: Der Staat garantiert eine fixe Einspeisevergütung, die der Nutzer gegenfinanziert hat. Das Problem war bei der EEG-Umlage aber, dass anfangs viel zu hohe Preise für einen zu langen Zeitraum zugesichert worden waren. Bei negativen Strompreisen wird das System beinahe ad absurdum geführt. „Das wird allerdings bei den Molekülen nicht passieren, weil sie speicherbar sind und für die nächsten zehn, zwanzig Jahre die Nachfrage größer sein wird als das Angebot“, ist Küchen sicher. „Dennoch bleibt grundsätzlich die Schwierigkeit bei diesen Modellen, dass man heute den späteren Marktpreis nicht kennt. Wie soll man da den richtigen Garantiepreis festlegen?“, gibt Stuhrmann zu bedenken. „Eine Vorgabe kann immer nur eine Übergangslösung sein.“

Klar ist: Die Quote allein – beispielsweise, wie viel SAF dem fossilen Flugkraftstoff beigemischt werden muss – garantiert nicht den Preis. Im Gegenteil, Regulierer und Kunden haben ja ein großes Interesse daran, dass die Quote so kostengünstig wie möglich erfüllt werden kann.

Vorbild Großbritannien?

Smeets empfiehlt den Blick nach Großbritannien. Dort hat sich die britische Regierung verpflichtet, bis Ende 2026 einen Revenue Certainty Mechanism (RCM) einzuführen. Damit sollen Investoren verlässliche Einnahmen erhalten, so dass der Bau von „Breakthrough“-Erstlingsanlagen für die Produktion von SAF kalkulierbar wird. Wie genau der RCM ausgestaltet werden soll, damit die hohen Investitionen und langen Laufzeiten „bankable“ werden, steht aktuell noch zur Diskussion. Vier grundsätzliche Modelle werden in einer aktuellen Studie des Green Finance Instituts, einem auf Finanzierungsfragen zur Net-Zero-Transformation fokussierten unabhängigen Regierungsberater, vorgestellt und bewertet:

  • Garantierter Ausübungspreis (GSP – Guaranteed Strike Price): Dieses Modell ist ähnlich den Contracts for Difference (CfD), welches in Großbritannien bereits für die Erzeugung von CO2-armem Strom,angewendet wird: Der SAF-Produzent erhält einen festen Preis pro Liter produzierten Kraftstoffs. Liegt der Marktpreis unter diesem GSP, zahlt der Staat die Differenz. Liegt er darüber, zahlen die Produzenten die Differenz an die Regierung aus. Das bietet maximale Einnahmensicherheit für den Produzenten – aber das Risiko hoher Kosten für den Staat, falls die Marktpreise rasch unter den GSP sinken.
  • Käufer der letzten Instanz (BOLR – Buyer of Last Resort): Bei diesem von Eigenkapitalinvestoren bevorzugten Ansatz gibt es eine festgelegte Instanz (z.B. eine staatliche Agentur), die überschüssigen SAF-Zertifikate aufkauft, wenn der Marktpreis unter ein bestimmtes Niveau fällt. Dadurch wird ein Mindestpreis garantiert. Allerdings könnte es bei anhaltend niedrigen Preisen teuer für den Staat werden.
  • Mandats-Auto-Ratchet (MAR): Hierbei passt sich die Quotenverpflichtung automatisch an, wenn es ein Überangebot an SAF gibt. Wird zu viel SAF produziert und die Preise fallen, wird die vorgeschriebene Beimischungsquote erhöht. Dadurch steigt die Nachfrage und die Preise stabilisieren sich wieder. Dieser Ansatz ist zwar sehr marktbasiert, aber auch komplexer und weniger berechenbar.
  • Mandatsuntergrenze (MFP – Mandate Floor Price): Dies ist der einfachste Ansatz. Hier wird ein Mindestpreis für SAF-Zertifikate festgelegt, der durch das Mandat selbst garantiert wird. Egal, wie sich der Wert entwickelt – Produzenten wissen, dass sie mindestens diesen Preis erzielen können. Das ist einfach umzusetzen, doch weniger flexibel bei Marktveränderungen.

Bis ein definierter RCM in Kraft tritt, könnten ein kollektiver Abnahmevertrag sowie staatliche Abnahmegarantien die Finanzierungsrisiken mindern. Schließen sich mehrere Fluggesellschaften zu einem Kollektiv zusammen, wird das Ausfallrisiko durch eine Insolvenz einer Fluggesellschaft reduziert. Auch könnte das Verteidigungsministerium als zuverlässig zahlender Abnehmer sich verpflichten, die Luftwaffe etc. mit klimaneutralen SAF zu betanken.

Auch in Großbritannien ist der Weg zu einer ausreichenden SAF-Produktion noch weit. Doch die aktuellen Ansätze und Diskussionen zeigen, dass das Land in der Investition in die Molekülwende auch eine große Marktchance für sich sieht. Ohne staatliche Unterstützung mindestens in der Phase des Markthochlaufs wird es nicht gehen. Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass auch Nichtstun einen hohen Preis hat.

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