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SAF: Bessere Startbedingungen für klimaneutrales Fliegen

Die Luftfahrt zählt zu den Verkehrsbereichen, die auch künftig größtenteils auf flüssige Energieträger angewiesen bleiben. Darum gelten nachhaltige Flugkraftstoffe, Sustainable Aviation Fuels (SAF), als Schlüssel zur Defossilisierung des Luftfahrtsektors. Sie waren auch ein zentrales Thema bei der diesjährigen Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin. Die Herausforderung: Der Bedarf allein reicht noch nicht aus, den Aufbau der nötigen Produktionskapazitäten anzukurbeln. Vor allem bei eSAF drohen in Anbetracht neuer regulatorischer Anforderungen Versorgungsengpässe.

Global betrachtet ist die Luftfahrt für immerhin rund zwei Prozent aller von Menschen verursachten CO₂-Emissionen verantwortlich. Werden zusätzlich die Treibhausgaseffekte berücksichtigt, die auf Kondensstreifen zurückzuführen sind, beträgt der Anteil sogar 3,5 Prozent. Ein Wert, der nicht unterschätzt werden sollte, zumal einer Prognose des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR) zufolge der weltweite Luftverkehr in den nächsten 20 Jahren um 3,7 Prozent jährlich wachsen soll. Der Dachverband der internationalen Airlines, die International Air Transport Association (IATA) rechnet mit einem ähnlichen Wachstum und somit ungefähr einer Verdopplung des Passagieraufkommens bis 2043. Um auch in diesem Sektor für mehr Klimaschutz zu sorgen, besteht also dringender Handlungsbedarf. Die IATA und die International Civil Aviation Organization (ICAO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, streben bis zum Jahr 2050 netto null Emissionen für die Luftfahrt an.

SAF: Luftfahrt braucht grüne Moleküle

Der internationale Flugverkehr zählt dabei zu den Verkehrsbereichen, die auch mittelfristig größtenteils auf grüne Moleküle, also in erster Linie flüssige Energieträger angewiesen bleiben werden. Die hohe Energiedichte solcher Fuels gibt dabei den Ausschlag. Batterien wären zu schwer und zu raumgreifend und sind darum kaum eine Option. Dies gilt zumindest auf Mittel¬ und Langstrecken – und diese machen derzeit rund drei Viertel aller Flüge aus. Darum gelten SAF als das entscheidende Instrument, um die fossilen Emissionen des Luftfahrtsektors zu reduzieren.

Das waren auch während der diesjährigen ILA in Berlin nicht zu übersehen. Fünf Tage lang drehte sich am Berliner Flughafen alles um die Zukunft der Luft- und Raumfahrt. Rund 600 Aussteller aus 31 Nationen präsentierten ein breites Spektrum an High-Tech-Produkten sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Rund 95.000 Besuche wurden gezählt. Neben Sicherheit und Verteidigung sowie dem Nutzen der Raumfahrt stand im Bereich der zivilen Luftfahrt vor allem das Thema „Klimaneutrales Fliegen“ Fliegen im Zentrum der Messe. Das ILA Future Lab des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz warf einen Blick in die Zukunft: Es stellte geförderte Forschungs- und Technologieprojekte vor und zeigte, welchen Beitrag die Luft- und Raumfahrtbranche zur Erreichung der Klimaziele leisten kann. Auf SAF lag dabei ein besonderer Fokus.

SAF können auch Zahl von Kondensstreifen verringern

Laut dem Klimaschutzplan der europäischen Luftfahrt soll der SAF-Einsatz nicht nur den größten Beitrag zur Minderung der CO₂-Emissionen im Flugverkehrs leisten. Darüber hinaus könnte ihr Einsatz auch die Partikelemissionen als Auslöser für die Bildung von Kondensstreifen deutlich reduzieren. Zusammen mit der Minderung weiterer klimarelevanter Verbrennungsprodukte würden diese modernen Treibstoffe im Vergleich zu fossilem Kerosin so auch die sogenannten Nicht-CO₂-Effekte auf Klima und Umwelt deutlich abschwächen. Benötigt werden dafür Fuels, die „drop-in-fähig“ sind, das heißt ohne Änderung der bestehenden Infrastruktur und der existierenden Flugzeugtriebwerke genutzt werden können und deren Energiedichte etwas der des heute noch fossilen Kerosins entspricht. Solche „drop-in-fähigen“ klimaschonenden Treibstoffe könnten darüber hinaus dem fossilen Kerosin in zunehmenden Anteil beigemischt werden. Doch wie sollen diese Flugkraftstoffe der Zukunft hergestellt werden?

Verschiedene Herstellungspfade möglich

SAF können, wie andere Future Fuels auch, grundsätzlich aus Biomasse und/oder mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen (Power-to-Liquid – PtL) in verschiedenen Produktionsverfahren hergestellt werden. Unter dem Begriff biogene SAF, die auch als Biokerosin, Aviation Biofuels oder Bio-SAF bezeichnet werden, wird ein breites Spektrum an unterschiedlichen SAF-Spezifikationen zusammengefasst, die aus öl- und fetthaltiger, stärkehaltiger, zuckerhaltiger und/oder lignocellulosehaltiger (holz- und halmgutartiger) Biomasse erzeugt werden. Darunter fallen Rohstoffe wie Pflanzenöle, Algen, bestimmte Komponenten von Energiepflanzen, gebrauchtes Speisefett, organische Siedlungs- und Industrieabfälle oder Rückstände aus der Land- und Forstwirtschaft. Die Verwendung von Biomasse hat den Vorteil, dass diese sowohl Kohlenstoff als auch Wasserstoff enthält, die für die Herstellung der verschiedenen Produkte genutzt werden können.

Unter strombasierten SAF sind nachhaltige Flugkraftstoffe zu verstehen, die ausschließlich auf der Basis von Wasser als Quelle für Wasserstoff, CO₂ und Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden. Sie werden auch als Power-to-Liquid(PtL)-Kerosin, PtL-Flugkraftstoffe, eKerosin oder eSAF bezeichnet. Hybride SAF, auch PBtL-SAF (Power-and-Biomass-to-Liquids), basieren auf der Kombination von biomasse- und strombasierten Herstellungsverfahren.

Quoten schreiben künftigen SAF-Einsatz in der EU vor

Technologische Optionen sind also gegeben – und auch die europäische Politik hat den SAF-Einsatz als Klimaschutzlösung fest eingeplant. Sie hat dazu sogar explizite Vorschriften beschlossen. So haben sich die EU -Kommission und EU-Parlament im April 2023 im Rahmen des Fit-for-55-Pakets unter dem Namen „ReFuel EU Aviation“ auf Quoten für SAF geeinigt. Sie sollen, beginnend mit zwei Prozent im Jahr 2025, bis auf 70 Prozent im Jahr 2050 steigen. Darin enthalten ist eine weitere Unterquote für eKerosin bzw. eSAF. Sie soll bis 2050 auf 35 Prozent anwachsen. Das restliche klimaschonende Kerosin könnte somit aus Biomasse stammen.

Regulatorisch betrachtet scheint somit alles auf dem richtigen Weg zu sein. Doch dieser Schein trügt – und auch das wurde im Verlauf der ILA deutlich. Denn damit insbesondere eSAF schnell in zunehmender Menge zum Einsatz kommen können, muss noch mehr für die Investitionen von industriellen Produktionsanlagen getan werden. Darauf verwies Prof. Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie: „Bislang sind die Rahmenbedingungen noch nicht ausreichend, um die notwendigen Entscheidungen bei den Unternehmen auszulösen.“ Küchen ist auch Co-Sprecher der Arbeitsgruppe SAF, die Teil des im November 2022 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gegründeten Arbeitskreises „Klimaneutrale Luftfahrt“ (AKkL) ist.

Maßnahmenpaket auf der ILA überreicht

In der Arbeitsgruppe SAF haben seither mehr als 70 Stakeholder in diversen Workshops und Arbeitssitzungen Herausforderungen analysiert und Maßnahmen für einen schnellen SAF-Markthochlauf erarbeitet. Ein zehn Punkte umfassendes Maßnahmenpaket bündelt die bisherigen Arbeitsergebnisse und skizziert die erforderlichen nächsten Schritte, um Investitionen insbesondere in eSAF-Produktionskapazitäten voranzutreiben. Es wurde am 5. Juni auf der Bühne des ILA Future Lab an die Beauftragte der Bundesregierung für die deutsche Luft- und Raumfahrt, Dr. Anna Christmann, und den Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, Oliver Luksic, übergeben.

Der in der AG SAF erarbeitete Katalog schlägt eine Reihe von Aktivitäten vor, die aus Sicht der mehr als 50 Mitglieder erforderlich sind, um den notwendigen Hochlauf von nachhaltigen Flugkraftstoffen wirkungsvoll anzugehen. Ein in Zusammenarbeit mit der AG SAF erstellter „SAF-Outlook 2024-2030“ des Kompetenzzentrums CENA Hessen hatte gezeigt, dass die Erfüllung der europäischen SAF-Quote aus biogenen Abfall- und Reststoffen zwar möglich ist, zur Sicherstellung der Erfüllung der 2030 greifenden europäische eSAF-Quote (1,2 Prozent ab 2030, fünf Prozent ab 2035) jedoch unter derzeitigen Rahmenbedingungen akuter Handlungsbedarf besteht. „Die Mitglieder der AG SAF haben drei wesentliche Maßnahmen identifiziert, um den Markthochlauf von eSAF zu unterstützen“, so Küchen.

eSAF: Bessere Absicherung für notwendige Investitionen erforderlich

Eine entscheidende Herausforderung: Aufgrund der zu erwartenden Kostendegression bei der eSAF-Produktion und technischer Herausforderungen sind eSAF-Projekte der ersten Generation mit hohen finanziellen Risiken verbunden. Ein langfristiger Abnahmevertrag für die Produkte ist in der Regel Voraussetzung für eine Realisierung. Als erste Maßnahme seien öffentliche Ausschreibungen finanziert aus einem sektorspezifischen Umlagesystem hier eine Option. Ergänzend sollten De-Risking-Instrumente den Zugang von privatem Kapital zu eSAF-Projekten erleichtern, die dazu beitragen, die „Bankability“ von eSAF-Projekten zu erhöhen. Als dritte Maßnahme empfiehlt die AG SAF, sich für international einheitliche Standards und Energiepartnerschaften zum Import dieser Produkte einzusetzen. Denn die Schaffung eines internationalen Marktes für diese Produkte ermöglicht eine kosteneffiziente Bereitstellung von eSAF.

Bundesminister informierten sich an ILA-Stand

Zentrale Anlaufstelle in Sachen SAF war auf der diesjährigen ILA der Stand der „aireg“, eine branchenübergreifende Initiative, die sich für Flugkraftstoffe aus regenerativen Energien einsetzt. Als Kompetenzzentrum wird hier Engagement, Know-how und langjährige Erfahrung aus Industrie, Wirtschaft und Wissenschaft im Bereich der deutschen Luftfahrt gebündelt. Melanie Form, aireg-Geschäftsführerin: „Wir haben die ILA genutzt, um auf die große Bedeutung von SAF für den wichtigen Beitrag der Luftfahrt zur Senkung der Treibhausgasemissionen aufmerksam zu machen. Dabei konnten wir gemeinsam mit unseren Ausstellungspartnern auf unserem aireg-Gemeinschaftsstand in Panels und Gesprächen deutlich machen, dass Deutschland eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und Skalierung der neuen Antriebsenergie spielen kann und sollte. Die SAF-Produktion ist eine Chance für den Klimaschutz und unseren Wirtschaftsstandort.“ Der aireg-Stand wurde während der Messe von vielen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft besucht. Darunter waren Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, sowie Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr. Entscheidend sei es, so Form und Küchen, dass die Politik jetzt handelt und für entsprechende Voraussetzungen zur SAF-Produktion sorgt, damit die gesetzten Ziele auch erreicht werden.

Das Zehn-Punkte-Maßnahmenpaket der AG SAF liegt hier
Infos zu nachhaltigen Kraftstoffen für die Luftfahrt

Foto: stock.adobe.com – motive56

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