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Klimaschutz: Was macht der Agrarsektor?

Die Landwirtinnen und Landwirte sind zweifelsohne wichtige Akteure der Energiewende in Deutschland: Sie stellen große Flächen für Windkraft- und Photovoltaikanlagen zur Verfügung, betreiben Biogasanlagen und Nahwärmenetze. Doch was ist eigentlich mit den Fuhrparks der Betriebe? Wie laufen Mähdrescher, Traktor und Unimog in Zukunft? Die Dekarbonisierung des Agrarsektors ist noch nicht sehr weit vorangeschritten. Noch sind Maschinen überwiegend mit fossilem Diesel auf den Ackerflächen unterwegs. Doch auch das soll sich in Zukunft ändern.

Der erneuerbare Strom, der auf den Acker- und Dachflächen gewonnen wird, wird in großen Teilen ins Netz eingespeist. Einen kleinen Teil nutzen die Bewohner der Höfe für ihre elektrischen Anlagen in Haushalt und Stall, wenige – wie die Bewohner des Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koogs im Norden Deutschlands – heizen auch mit dem Überschussstrom aus Wind- und Solarkraftanlagen. Aber was passiert im Tank des Traktors? Wie sieht es mit der Elektrifizierung des Fuhr- und Maschinenparks aus? Einige Hersteller schauen bereits in die Zukunft und haben ihr Angebot angepasst. Wir haben ein paar dieser Projekte zusammengefasst.

Klimaschutz in der Landwirtschaft: Synthetischer Diesel im Treckertank

Seit vielen Jahrzehnten dominieren Dieselantriebe die landwirtschaftlichen Maschinen. Heute macht der Agrarsektor weltweit rund 18 Prozent der Treibhausgasemissionen aus. Doch die Klimaziele müssen auch hier erreicht werden. Daher ist die Reduzierung der CO₂-Emissionen nicht nur der Fahrzeuge, sondern aller Abläufe auf und rund um die Höfe notwendig. Gebraucht werden aber vor allem leistungsstarke und praktische Landmaschinen – die gleichzeitig die Anforderungen erfüllen und klimaneutral betrieben werden können.

Für kleinere Maschinen auf den Höfen wie etwa wendige Hoftracks zum Füttern und Misten der Ställe, sind E-Antriebe bereits umgesetzt. Bei größeren Traktoren wird es aufgrund der Reichweite und vor allem der erforderlichen Leistung mit reinen batterieelektrischen Antrieben unrealistisch. Einige Hersteller setzen daher weiter auf den Verbrennungsmotor, sind sich aber ihrer Verantwortung bewusst und geben ihre Motoren für erneuerbare Fuels frei. Wie Claas Landmaschinen. Das Unternehmen gibt alle Landmaschinen der neuesten Abgasstufe für den Betrieb mit XtL-Dieselqualitäten wie hydrierten Pflanzenölen – kurz HVO – frei. Zusätzlichen werden die Fahrzeuge, die die Werke im französischen Le Mans oder Harsewinkel verlassen, mit einem nachhaltigen Biokraftstoff im Tank ausgeliefert. „In leistungsstarken Landmaschinen gibt es auf absehbare Zeit keine wirtschaftliche Alternative zum Verbrennungsmotor. Daher sind Lösungen gefragt, um die fossilen Emissionen dieser Antriebsart zu verringern, ohne signifikante Nachteile bei Herstellungskosten, Verbrauch, Gewicht und Haltbarkeit in Kauf nehmen zu müssen. Hydrierte Pflanzenöle sind dafür hervorragend geeignet, zumal sie bereits heute zur Verfügung stehen und sofort ihre positiven Umwelteffekte entfalten“, sagt Dr. Martin von Hoyningen-Huene, Executive Vice President BU Tractor.

Neben den alternativen Kraftstoffen wie HVO sieht Claas aber ebenso batterieelektrische Lösungen für kleinere Traktoren oder hofnahe Anwendungen. Wasserstoffverbrennungsmotoren seien für größere Maschinen ebenso eine vorstellbare Lösung. Diese Motoren hätten den Vorteil, dass sie – anders als die Elektromotoren – den herkömmlichen Antriebsstrang weiter nutzen können. Allerdings erfordere die Mitnahme von Wasserstoff ein im Vergleich zum Dieselmotor zehnfach erhöhtes Tankvolumen – oder eben sehr häufige Tankvorgänge.

Wasserstoff-Motoren für Traktoren, Mähdrescher und Co.

Auch das US-Unternehmen Cummins, Motorenhersteller unter anderem für Landmaschinen, setzt in Sachen Klimaschutz auf Wasserstoff. „Unsere Strategie ist es, uns auf die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette zu konzentrieren, um die Nachhaltigkeit voranzutreiben und eine schnellere Einführung zu ermöglichen“, so Antonio Leitao von Cummins. Im Fokus stehen drei Bereiche: die Produktion von grünem H2, Management und Transport von Wasserstoff und die Anwendung in Motoren und Brennstoffzellen. Cummins wird also nicht nur seine Motoren H2-ready produzieren, sondern auch den Treibstoff herstellen. Auf der Agritechnica wurde der B6.7H-Wasserstoffmotor gezeigt, der für landwirtschaftliche Traktoren und Maschinen gedacht ist. Er hat eine Spitzenleistung von 216 kW.

Für das im Vergleich zum Dieseltank größere Speichervolumen, das der Wasserstoff mit sich bringt, gebe es ebenfalls eine Lösung: Wasserstoff muss für den verfügbaren Raum komprimiert werden. Cummins unterhält ein Joint Venture mit NPROXX, einem Anbieter von Hochdruck-Wasserstoffspeicherung. Die Tanks sind für einen Druck von bis zu 700 bar ausgelegt, um Kapazität und Betriebsbereich zu maximieren. „Die Markteinführung von Wasserstoffmotoren wird auch das Wachstum der Wasserstoffinfrastruktur beschleunigen, um die breite Einführung von Brennstoffzellenantrieben zu unterstützen“, so Leitao.

Methanol und Brennstoffzellen für lange Betriebszeiten

Flüssiges Methanol und eine Brennstoffzelle: Das ist das Konzept von Brennstoffzellenentwickler Blue World Technologies und dem Anbieter für nachhaltige Antriebstechnologien AGCO Power. Die Unternehmen haben den elektrischen Fendt e100 Vario-Traktor entwickelt. In diesem Jahr soll er in Serie gehen. Dabei soll die Kombination aus Methanol und Brennstoffzelle eine lange Betriebszeit ermöglichen. Im Vergleich mit dem batterieelektrischen Fendt-Traktoren-Modell soll der Brennstoffzellen-Trecker doppelt so lange im Einsatz sein können. Und das funktioniert so: Das Range-Extender-Konzept wird mit flüssigem Methanol betrieben. Das flüssige Methanol wird in ein wasserstoffreiches Gas umgewandelt und treibt dann die eingebaute Brennstoffzelle an. Die Brennstoffzellen erzeugen ihrerseits Strom, der die Traktorbatterien während des Betriebs auflädt. „Die Landwirtschaft befindet sich derzeit im Wandel und ist auf der Suche nach einer neuen Antriebslösung, die sich am Klimaschutz orientieren kann. Grünes Methanol ist ein geeigneter Kandidat und aufgrund seiner flüssigen Beschaffenheit ist es möglich, es ähnlich wie Dieselkraftstoff in einem Tank mit vergleichbarem Volumen drucklos zu speichern“, so Kari Aaltonen, Technischer Direktor bei AGCO Power.

Konventionelle Motoren, innovative Kraftstoffe

Gleich mehrere Antriebslösungen für verschiedene Anwendungen hat die Deutz AG im Portfolio. Auf der Messe Agritechnica 2023 gab es neben herkömmlichen Dieselmotoren auch Elektro- und Wasserstoffantriebe bei dem Unternehmen zu sehen. Ende dieses Jahres soll die Serienproduktion eines Wasserstoffverbrennungsmotors starten. Zusätzlich wird es ein kompaktes 400-Volt-Antriebssystem geben, das einen Splitantrieb mit zwei 40-kW-Motoren beinhaltet. Die Batterie kann im Schnellladeverfahren in einer Stunde auf 80 Prozent aufgeladen werden können. Dennoch setzt das Unternehmen aus Köln auch zukünftig auf konventionelle Verbrennungsmotoren mit alternativen Fuels: „Gerade in der Landwirtschaft werden konventionelle Antriebe mit Verbrennungsmotoren auch künftig benötigt und können mit biogenen und synthetischen Kraftstoffen umweltfreundlich betrieben werden“, erklärt Dr. Markus Müller von der Deutz AG. So werden auch regenerative flüssige Kraftstoffe wie Biodiesel oder Rapsöl noch für einen langen Zeitraum einem wichtiger ein Teil der Lösung sein. Auch weil die Traktoren und Erntemaschinen in der Landwirtschaft lange im Einsatz sind und der „Flottenwechsel“ noch ein wenig dauern wird.

Foto: stock.adobe.com – www.countrypixel.de

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