Grünes Ammoniak: Rohstoff, Energieträger und potenzieller Kraftstoff
Ammoniak ist ein gut lösliches, farbloses, jedoch auch stechend riechendes und toxisches Gas. Dennoch handelt es sich um eine der meistproduzierten Chemikalien der Welt. Die chemische Industrie nutzt sie als Ausgangsstoff für die Synthese vieler Verbindungen, wobei der größte Teil des Ammoniaks zu Dünger weiterverarbeitet wird. Der Rest wird beispielsweise zur Produktion von Kunststoffen und Synthesefasern eingesetzt. Allein in Deutschland werden jährlich knapp drei Millionen Tonnen konventionelles Ammoniak hergestellt, wobei rund sechs Millionen Tonnen CO₂ freigesetzt werden. Die ließen sich durch den Einsatz grünen Ammoniaks einsparen.
Grünes Ammoniak wird künstlich hergestellt durch die Synthese von CO₂-neutralem Wasserstoff und Stickstoff im sogenannten Haber-Bosch-Verfahren. Das Ammoniak-Molekül besteht aus der Verbindung von einem Stickstoff mit drei Wasserstoffatomen und ist frei von Kohlenstoff. Dadurch kann grünes Ammoniak bei Herstellung und Anwendung in einer CO₂-neutralen Energie- und Rohstoffversorgung punkten. Für die Herstellung ist kein Kohlenstoff notwendig und bei der Anwendung, also beispielsweise der Verbrennung, entsteht somit kein CO₂. Anders als bei Kohlenwasserstoffen muss somit kein Kohlenstoffkreislauf geschlossen werden, um CO₂-Neutralität zu erreichen. Die benötigte Rohstoffkomponente Stickstoff ist mit 78 Prozent Hauptbestandteil der Luft und überall auf der Welt gleichermaßen verfügbar. Die industrielle Herstellung von Ammoniak wäre also auch in den bevorzugten wind- und sonnenreichen Regionen für die Produktion von grünem Wasserstoff möglich.
Ammoniak ist leichter zu speichern als Wasserstoff
Aufgrund des höheren Kondensationspunkts lässt sich Ammoniak einfacher speichern als Wasserstoff, der unter Normaldruck erst bei Temperaturen von −252 Grad Celsius an abwärts oder durch sehr starke Komprimierung flüssig wird, während Ammoniak unter Normaldruck bereits bei rund -33°C verflüssigt werden kann. Wird Ammoniak moderat unter Druck gesetzt, kann der Kondensationspunkt vergleichsweise einfach erhöht werden – schon bei 9 bar Druck steigt er auf 20 Grad Celsius.
Auch die Energiedichte von Ammoniak ist deutlich höher als die von Wasserstoff. Damit dürfte seine Verwendung im direkten Vergleich zu Wasserstoff für viele Anwendungsfälle effizienter und kostengünstiger sein.
Studie des Weltenergierats sieht großes Potenzial
Der Weltenergierat (WEC) – Deutschland hat im Dezember 2023 die Studie „Ammoniak als Energieträger für die Energiewende“ veröffentlicht. Der Studie zufolge wird der globale Markt für erneuerbares Ammoniak von 2023 bis 2028 schätzungsweise jährlich um mehr als 70 Prozent wachsen. Bis 2030 wird eine Vergrößerung das Marktvolumens von aktuell ca. 0,3 Milliarden US-Dollar auf knapp 18 Milliarden US-Dollar erwartet.
Die WEC-Studie sieht ausdrücklich drei Optionen für den Ammoniakeinsatz:
- Die direkte stoffliche Nutzung, etwa in der Chemieindustrie. Hierfür sei eine entsprechende Infrastruktur für die Anlandung, den Transport und die Nutzung erforderlich.
- Eine direkte thermische Nutzung, beispielsweise in Schiffsmotoren, Industrieprozessen oder Kraftwerken.
- Die Rückumwandlung von Ammoniak mithilfe der Cracking-Technologie in Wasserstoff und Stickstoff und die anschließende Nutzung des freiwerdenden Wasserstoffs. Dies könne u. a. für Anwendungsbereiche interessant werden, in denen sich der Infrastrukturaufbau für den Ammoniakeinsatz schwierig gestaltet. Das Cracking-Verfahren sei jedoch energieintensiv und müsse noch hochskaliert werden, bevor es wirtschaftlich betrieben werden kann.
Im Vergleich zu Wasserstoff und anderen Derivaten wird Ammoniak wie folgt in der WEC-Studie bewertet:
- Der direkte Einsatz als Grundstoff oder Energieträger ist möglich.
- Die Synthese von Ammoniak ist ein erprobter Prozess. Die großskalige Rückumwandlung befindet sich noch in der Entwicklung.
- Der Energiebedarf über die Kette ist relativ gering. Vor allem, wenn eine direkte Anwendung stattfinden kann.
- Die Kosten für Speicher und Synthese sind relativ gering. Die Kosten für die großskalige Rückumwandlung sind potenziell hoch.
- Beim Handling sind strenge Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz von Menschen und Umwelt nötig.
Risiken und Nebenwirkungen
Zu bewerten sind im Hinblick auf die künftige Verwendung von Ammoniak zudem generelle Risiken, die sich durch Unglücke, wie etwa eine Havarie, aufgrund seiner Giftigkeit ergeben können. Die DNV (ursprünglich: Det Norske Veritas), ein internationaler Dienstleister für technische Beratung, Zertifizierungen und Risikomanagement mit Sitz in Norwegen, sieht hier „erhebliche, aber nicht unüberwindbare“ technische und sicherheitstechnische Herausforderungen und schätzt das Potenzial von Ammoniak in der Schifffahrt hoch ein. Sein Anteil am Energieträgermix könnte in diesem Bereich demnach bis zum Jahr 2050 auf 25 Prozent steigen.
Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sieht Risiken und Herausforderungen im Hinblick auf Ammoniak, attestiert dem Energieträger jedoch ein hohes Potenzial für den Klimaschutz. Grundlage dieser Bewertung ist eine im NABU-Auftrag erstellte Studie des Ökoinstituts. Die Studie stellt zudem fest: Auch wenn grünes Ammoniak nicht großflächig Anwendung als Treibstoff in der Schifffahrt finden sollte, seien Investitionen in Ammoniak-Infrastruktur keine verlorenen Investitionen. Grünes Ammoniak werde demnach im Rahmen der Wasserstoffwirtschaft für die Dekarbonisierung anderer Sektoren eine wichtige Rolle spielen.
Green Fuels Import Conference am 27. November in Berlin
Am 27. November 2024 laden en2x und der Weltenergierat Deutschland (WEC) zur zweiten Green Fuels Import Conference nach Berlin ein. Das Thema in diesem Jahr: „Molekülwende jetzt. Elementar für morgen: Wie kommen wir zu CO2-neutralen Molekülen?“. Impulsvorträge und Diskussionen mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft widmen sich zunächst den beiden Themenschwerpunkten „Energiepartnerschaften mit anderen Ländern“ und „Politische Rahmenbedingungen“.
Im zweiten Teil geht es dann um die Transportketten für grüne Moleküle. Hier stehen die Hafenstrategie der Bundesregierung und die Infrastruktur der Seehäfen im Mittelpunkt. Darüber hinaus erhalten die Teilnehmenden am Nachmittag die Möglichkeit, sich zu innovativen Themen und spannenden Projekten direkt zu informieren. Unternehmen und Forschungseinrichtungen stellen ihre Kooperationsangebote, Initiativen und Projekte an einzelnen Topic Tables vor. Die Teilnahme an der Green Fuels Import Conference ist kostenlos.